Beispielbild: Bank
Mitglieder des Heimatvereins mit den Dauerleihgaben

AUF DEN SPUREN VON LEOPOLD HUMBERG

Einen wahren Schatz für das Humberghaus hatten die Mitglieder des Heimatvereins nach ihrem Besuch im Jüdischen Historischen Museum Amsterdam im Gepäck, als sie nach Dingden zurückkehrten.

Ein Rezeptbüchlein aus dem Jahr 1891/92 und eine ganze Reihe von Dokumenten, die einst Leopold Humberg gehörten, dem letzten Bewohner des Humberghauses. Das Museum überlässt den Dingdenern all diese Originale für fünf Jahre als Dauerleihgabe, berichtet Ulrich Bauhaus, der gemeinsam mit Hermann Ostendarp, Winfried Breitkopf und Bernhard Großbölting nach Amsterdam gefahren war, um ursprünglich nur das alte Rezeptbuch abzuholen. Bei ihren Nachforschungen zur jüdischen Familie Humberg waren die Dingdener auf diese Erinnerungsstücke gestoßen.

Während das Museum bereit war, die Kopien per Post zu versenden, wollten die Verantwortlichen den kleinen schwarzen Kalender nicht in die Post geben. "Wir sind bei unserem Besuch auf eine so positive Reaktion gestoßen, mit der wir nie gerechnet hätten", freut sich Ulrich Bauhaus über die großzügige Hilfsbereitschaft. Peter Buijs, zuständig im Museum für die Bibliothek, habe viel Verständnis dafür gezeigt, dass das Kochbuch Bestandteil der künftigen Ausstellung in Humberghaus sein sollte. Denn für Bauhaus und seine Mitstreiter steht fest, dass die Rezepte, die in Sütterlin geschrieben sind, aus der Feder von Rosalia Humberg stammen, der Mutter von Leopold Humberg.

Klage beim Ältestenrat "Ratgeber für Haus und Geschäft" heißt der Kalender für die Jahre 1891/92 und enthält unter anderem eine Gerichtskostentabelle und Zinsberechnungen in Reichsmark. Die Koch-, Back- und Einmachanleitungen bieten den Einblick in einen jüdischen Haushalt, erzählt Hermann Ostendarp, der bereits einen Großteil der Rezepte "übersetzt" hat. "Kein einziges Gericht mit Schweinefleisch ist darunter, wohl aber viel mit Geflügel, Rind, Schaf und Fisch. Allein für Mai-Fisch gibt's zwei Vorschläge."

Verschiedenste Urkunden, die Leopold Humberg (geboren am 4. November 1884) gehört haben und einen Brief, den er in Theresienstadt an den Ältestenrat geschrieben hatte, zählen zu den Unterlagen, die die Dingdener aus Amsterdam mitbringen konnten. Wie diese Dokumente von Dingden nach Amsterdam gelangt sind, ist derzeit noch offen. Einen Teil hat das Museum durch die Stiftung "Collectieve Israel Actie" bekommen, weiß Ulrich Bauhaus, der recherchierte, dass diese Organisation sich um alleinstehende Juden kümmerte. Vielleicht aber sind Briefe und Papiere auch durch einen möglichen Verwandten aus Winterswijk mit Namen Wolff ins Amsterdamer Museum gekommen. Ein Brief, in dem sich Leopold Humberg am 15. Oktober 1941 beim Ältestenrat des Ghettos Theresienstadt drei Wochen vor seinem Tod darüber beklagt, dass sein Gepäck noch immer nicht angekommen ist, landete bei diesem Herrn Wolff.

Aus ihren Forschungen wissen die Dingdener, dass Leopold Humberg als letzter der jüdischen Familie in Dingden geblieben war. "Im Gegensatz zu seinen Geschwistern hat er im Ort keine Repressalien zu spüren bekommen. Er war ein angesehener Metzger und Pferdehändler. Nach dem 1. Weltkrieg ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz machte er sich wohl keine Sorgen um die Zukunft", erklärt Hermann Ostendarp. Dennoch sei Leopold Humberg nach der Pogromnacht kaum noch im Ort zu sehen gewesen. Im Juli 1941 habe er dann die Aufforderung erhalten, sofort sein Haus zu verlassen und zu seiner Schwester Helene Frank nach Velen zu ziehen. Mit dem Transport Q 310 wurde Humberg schließlich nach Theresienstadt gebracht, wo er am 11. November 1942 starb.

Ende 2011 soll das Humberghaus als "Erinnerungsstätte jüdischen Lebens auf dem Lande" eröffnet werden, hat sich der Heimatverein zum Ziel gesetzt. Doch schon jetzt wird das Gebäude, das über 150 Jahre lang von jüdischen Familien bewohnt worden war, an seine künftige Funktion herangeführt. So ist das Humberghaus am morgigen Mittwoch, 19 Uhr, Ausgangspunkt einer ökumenischen Andacht mit dem Titel "Im Angesicht des jüdischen Volkes". Von dort geht es dann in die St. Pankratius-Kirche.

NRZ - Lokalredaktion Wesel - vom 9. November 2010